Die Riester-Rente – Reform oder geht sie selbst in Rente?

Einst wurde sie eingeführt, um mit privater Vorsorge und staatlicher Förderung im Alter mehr Rente zur Verfügung zu haben – die Riester-Rente. Doch in der Praxis kann sie gut 20 Jahre später als gescheitert gelten. Eigentlich plante die Große Koalition in dieser Legislaturperiode eine Reform und Wiederbelebung der Riester-Rente. Doch passiert ist bis kurz vor der nächsten Bundestagswahl nichts. Wie geht es mit dem Riestern nun weiter?

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Sparschwein
© andibreit/pixabay.com

Schon länger ist klar: Die Renten in einer nicht allzu fernen Zukunft sind alles andere als sicher. Gerade erst im Juni 2021 waren verschiedene Ökonomen zu hören, die dem deutschen Rentensystem den baldigen Kollaps prognostizierten, wenn nicht zügig einschneidende Reformen kommen. 2019 musste bereits ein Viertel des Bundeshaushalts die Rentenkasse stützen. 2040 kann es leicht die Hälfte des Haushalts werden – und das obwohl bis dahin die Beitragszahler und die Arbeitgeber laut Rentenversicherungsbericht 2020 zusammen um die vier Prozent mehr einzahlen werden. Klar ist jetzt schon, dass bis zum Jahr 2029 das Renteneintrittsalter auf 67 Jahre steigen wird. Hier liegen aber auch bereits erste Forderungen auf dem Tisch, dieses Alter noch einmal zu erhöhen. Die 2018 eingeführten Garantien eines Rentenbeitrags von maximal 20 Prozent und eines Rentenniveaus von 48 Prozent des Durchschnittslohns dürften angesichts der Finanzierungsprobleme vermutlich auch nicht mehr lange in Stein gemeißelt bleiben.

Vom Hoffnungsträger zum Problemkind

Zusammengefasst: länger arbeiten, mehr einzahlen, weniger Rente bekommen. Das sind kurz und knapp die Perspektiven für die Renten aktueller und folgender Generationen. Besonders belastend für die Menschen sind dabei die niedrigen Renten, die sie einmal erhalten werden. Denn damit wird es für viele immer schwieriger, einen einigermaßen würdigen Lebensstandard zu finanzieren, wenn außerdem viele Haushaltskosten kontinuierlich steigen. 2020 waren schon mehr als 560.000 Rentner deswegen auf Grundsicherung angewiesen.

Anfang des neuen Jahrtausends wollte das Kabinett Schröder zumindest für diesen Teil der Problematik eine Lösung gefunden haben: private Altersvorsorgeverträge mit staatlicher Altersvorsorgezulage. Ausgearbeitet hatte das Ganze der damalige Minister für Arbeit und Sozialordnung Walter Riester. Nach ihm wurden die Verträge als Riester-Renten benannt. Alle rentenversicherungspflichtigen Personen mit unbeschränkter Steuerpflicht konnten seitdem zu Riester-Sparern werden. Zahlten Sie wenigstens einen Mindesteigenbetrag in zertifizierte Verträge ein, konnten Sie mit staatlicher Förderung und Sonderausgabenabzug in der Steuererklärung rechnen.

Das Projekt Riester-Rente lief zunächst gut an. Zehn Jahre nach dem Start gab es etwa 16 Millionen Riester-Renten-Verträge. Seitdem geht ihre Zahl langsam zurück. Jeder fünfte Vertrag ruht heute sogar komplett und erste Empfänger der Riester-Rente beklagen sich über maue Auszahlungen von nur um die 50 Euro im Monat, die dann noch versteuert werden müssen.

Was ist hier passiert, dass die Riester-Rente gut zwei Jahrzehnte nach ihrer Einführung schon wieder vor dem Aus steht?

Probleme der aktuellen Riester-Rente

Ein wichtiger Teil der Riester-Rente ist die Beitragsgarantie. Mindestens die eingezahlten Beiträge müssen dadurch nach der Ansparphase ausgezahlt werden. Die Anbieter der Vorsorgeverträge investierten deswegen überwiegend in sichere, aber renditeschwache Anleihen und ähnliche Anlageformen. Deren Verzinsung sank im Verbund mit dem allgemeinen Zinsniveau in den letzten Jahren immer weiter.

Aktuell gibt es nur noch

  • 0,9 Prozent Garantiezins p.a. bei den Riester-Verträgen und
  • ab 2022 werden es lediglich 0,25 Prozent sein.

Einige Versicherer halten Beitragsgarantie und Garantiezins längst für obsolet, aber auch mit diesen Garantien taugen die Verträge kaum noch für eine effektive Vorsorge.

Davon sind etwa zwei Drittel der Verträge betroffen. Nur ein Drittel sind Fondssparpläne oder vergleichbare Anlagen, die nicht unmittelbar von den Niedrigzinsen betroffen sind. Allerdings wird auch dort wegen der Beitragsgarantie nur sehr konservativ angelegt. Alle Riester-Verträge zusammen haben dann ein Kostenproblem. Etwa jeder vierte Euro der Einzahlungen geht an die Anbieter der Riester-Renten.

Die staatlichen Zulagen können all das kaum noch auffangen. Sie werden gezahlt

  • bis zu einer Beitragshöhe von 2100 Euro, wenn Sie
  • mindestens vier Prozent Ihres rentenversicherungspflichtigen Einkommens einzahlen.

Dann erhalten Sie

  • 175 Euro Zulage,
  • die Ihren maximalen Eigenanteil effektiv auf 1925 Euro senkt.

Haben Sie Kinder, werden die Zulagen interessanter:

  • Mit einem Kind steigt die Zulage auf 475 Euro und
  • mit zwei Kindern sind es sogar 775 Euro Zulage.
  • Der minimale Eigenanteil beträgt danach nur noch 425 Euro oder 1325 Euro im Maximalfall.

Damit ist die Riester-Rente 2021 unabhängig von Mini-Zinsen und hohen Kosten durchaus noch für einige Personengruppen interessant:

  • Singles oder Paare mit Kindern
  • Geringverdiener, denen Renten von bis zu 200 Euro seit 2018 nicht mehr auf eine eventuelle Grundsicherung angerechnet werden und
  • alleinstehende Gutverdiener, die hier bis zu 2100 Euro Beiträge im Jahr absetzen können.

Doch insgesamt sind das zu wenige Menschen, denen die Riester-Rente noch etwas bringen kann. Und selbst bei denen kann man nicht von einem effektiven Beitrag zur Altersvorsorge sprechen.

Deswegen gibt es schon länger Forderungen in Politik wie bei Verbraucherschützern, Fonds- oder Versicherungsgesellschaften nach einer Reform der Riester-Rente.

Quo vadis Riester-Rente?

Die Finanzwirtschaft will die Riester-Rente radikal vereinfachen:

  • einfache Produkte mit minimalem Beratungsbedarf, um die Kosten der Riester-Verträge zu senken
  • einfachere Förderung zum Beispiel mit 50 Cent für jeden selbst eingezahlten Euro sowie die
  • Senkung oder Abschaffung der Beitragsgarantie

Verbraucherschützer wünschen sich noch mehr:

  • bessere Produkte und
  • geringere Provisionen bei den Anbietern für die Verkäufer sowie
  • mehr Flexibilität in der Auszahlungsphase, wo heute überwiegend verrentet wird

Die Verbraucherschützer wollen die Riester-Rente lieber in Richtung aktienbasierter Vorsorge verschieben, um sie von den Niedrigzinsen abzukoppeln. Außerdem fordern sie eine staatliche Organisation, was in Richtung von staatlichen Pensionsfonds geht, wie sie beispielsweise Australien, Norwegen oder Singapur erfolgreich unterhalten.

Unter dem Stichwort „Deutschland-Rente“ gibt es hier auch schon einige Ideen aus der Politik.

Doch Anfang 2021, als das Bundesfinanzministerium seine geplanten Gesetzesvorlagen für dieses Jahr ankündigte, fehlte eine Reform der Riester-Rente in der Liste der Vorhaben. Damit war klar: Entgegen des Koalitionsvertrags wird diese Regierung das Thema Riester-Rente nicht mehr anfassen. Eine dringend notwendige Reform übergibt man also dem nächsten Kabinett. Doch es ist zu bezweifeln, dass dort die Riester-Rente gleich ganz oben auf der Agenda steht.

Damit wird die Riester-Rente wahrscheinlich immer mehr ein Nischen-Dasein fristen, bis die Förderung der Verträge eines Tages wohl ganz abgeschafft wird, weil immer weniger Menschen von dieser privaten Altersvorsorge Gebrauch machen. Ob es eine Alternative mit einem Staatsfond gibt, bleibt abzuwarten. Erfolgreiche Vorbilder in anderen Ländern gibt es seit Langem. Der deutschen Politik fehlte allerdings bisher der Wille, diese für Deutschland nachzubauen.

Am Ende drohen der staatlich geförderten privaten Altersvorsorge damit leider nur weitere Jahre der Stagnation und des Stillstands.

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